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Date: 2000-12-19
UK: Ueberwachung und gesellschaftlicher Verfall
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Christiane Schulzki-Haddouti im Gespräch mit Simon Davies über
die britische Überwachungsgesellschaft
Seit Beginn der neunziger Jahre führt Simon Davies als Direktor der
Organisation Privacy International eine permanente Kampagne zum
Schutz des Rechts des Individuums auf informationelle
Selbstbestimmung. Mit Büros in London und Washington hat er
diesen Kampf auf eine internationale Ebene ausgeweitet und spielt
eine wichtige Rolle bei der Koordination von Aktivitäten. Als Erfinder
des Big-Brother-Preises, der nun auch in Deutschland, Frankreich,
Schweiz, Österreich und den USA verliehen wird, wurde er zu einer
Art internationalem Feuerwehrmann, der immer da auftaucht, wo es
im Bereich der Auhöhlung der Privatsphäre brennt. Doch gerade zu
Hause in Großbritannien scheint das Bedürfnis besonders hoch zu
sein, dem Thema Aufmerksamkeit zu verschaffen, da die Behörden
dauernd mit Wünschen zu neuen Überwachungsbefugnissen
auftrumpfen und die amtliche Geheimhaltung besonders ausgeprägt
ist. Christiane Schulzki-Haddouti führte mit ihm das folgende
Gespräch über die britische Überwachungsgesellschaft.
Sie verliehen den Big-Brother-Preis an den britischen Innenminister
Jack Straw. Glauben Sie, dass Großbritannien aufgrund seiner CCTV-
Installationen und anderen Innovationen im Bereich der
Überwachungstechnologien mittlerweile eine führende Rolle in
Europa spielt?
Simon Davies: Ich vermute, dass Großbritannien zur führenden
Überwachungsgesellschaft in Europa wird. Für andere Regierungen
spielt es den Wegbereiter. Es geht dabei nicht nur um die visuelle
Überwachung, sondern auch um den Lauschangriff aufs Internet und
das Abhören von Telekommunikation. Hier sind wir anderen
europäischen Ländern weit voraus. Unsere Regierung ist diejenige,
die in Europa am meisten Wert auf Geheimhaltung legt. Wir haben
eine feindselige Haltung gegenüber der Privatsphäre, die in diesen
Breitengraden unvergleichlich ist.
Die Briten sind ja eigentlich eher dafür berühmt, dass sie großen
Wert auf ihre Privatsphäre legen. Warum gilt dies nicht für die Online-
Welt?
Simon Davies: Ich glaube, dass der Durchschnittsbürger in
Großbritannien die Privatsphäre außerordentlich hoch schätzt. Aber
wir leben in einer Kultur, die eine zentralistische Regierung nicht
fürchtet. In unserer Geschichte gibt es keine Einschüchterung durch
die Regierung. Es gibt eine Selbstzufriedenheit hier im Land, die nur
in wenigen anderen Ländern so zu finden ist. Die Leute sind nicht
misstrauisch, wie sie es vielleicht in Deutschland oder in den USA
sind.
Es könnte schon viel schlimmer sein. Warum haben die Briten noch
keine Diktatur?
Simon Davies: Bis zum heutigen Tag war das Chaos innerhalb der
Regierung der größte Schutz der Privatsphäre. Innerhalb der
Ministerien gibt es großes Misstrauen. Innerhalb einzelner
Abteilungen gibt es sogar so ein großes Misstrauen, dass sogar
Einzelne nicht einmal Informationen untereinander austauschen. Das
hat Großbritannien davor bewahrt, zu einer totalen
Überwachungsgesellschaft zu werden.
Mehr
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/4516/1.html
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edited by Harkank
published on: 2000-12-19
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